Kleine Weisheitsgeschichten

Der ohnmächtige Elefant

Ein kleines Mädchen liebt es, in den Zirkus zu gehen und die Tiere aus der Nähe zu sehen. Am meisten faszinierten sie die Elefanten. Während der Vorstellung stellt das mächtige Tier immer seine eindrucksvolle Größe, seine Geschicklichkeit und außerordentliche Kraft zur Schau.

Als das Mädchen feststellt, dass ein so riesiges, mächtiges und starkes Tier nach der Vorstellung an einen kleinen Pflock gebunden wird und keine Anstalten machte, sich zu befreien, ist sie erstaunt und traurig. Es müsste für den großen Elefanten eine Leichtigkeit sein den kleinen Pflock aus dem Boden zu ziehen, aber das war ihm offensichtlich nicht bewusst.

Das konnte das kleine Mädchen einfach nicht verstehen und fragte die Erwachsenen, warum sich der Elefant nicht selbst befreit. Damals vertraute das kleine Mädchen noch an die Weisheit der Erwachsen. Aber es bekam keine annähernd zufriedenstellende und schlüssige Antwort. Erst Jahre später begegnete das Mädchen einer weisen Frau, der sie dieses Frage stellen konnten.

Die weise Frau erklärt ihr: „Schon seit frühester Kindheit wird der Elefant an den Pflock gekettet. Zuerst müht er sich ab, zieht und zerrt, bis er völlig erschöpft ist, doch seine Kräfte reichen noch nicht, sich von Kette und Pflock zu befreien. Der kleine Elefant kämpft, bis er am traurigsten Tag seines Lebens seine Ohnmacht akzeptiert, aufgibt und sich in sein Schicksal ergibt. Diese Erfahrung des Ohnmächtigseins vergisst er sein ganzes Leben lang nicht mehr.

Als das Mädchen längst groß ist, denkt sie manchmal immer noch an den Elefanten, der nicht bemerkt hatte, dass er erwachsen geworden und zu einem beeindruckenden Tier herangewachsen war.  All zu tief hat sich die Ohnmacht, die der kleine Elefant kurz nach seiner Geburt gefühlt hat, sich in sein Gedächtsnis eingebrannt. Und das schlimme daran ist, dass er diese Ohnmacht nie wieder in seinem Leben ernsthaft hinterfragt hat. Nie wieder!

Genauso geht es auch uns Menschen. Wir glauben ich kann das nicht und ich werde es niemals können. Die junge Frau möchte dem erwachsenen Elefanten am liebsten zuflüstern, dass er heute viel stärker und größer ist als früher und bloß weil ihm Dinge in der Vergangenheit nicht gelungen sind, das nicht bedeutet, dass sie ihm heute auch nicht gelingen und dass es sich lohnt, es immer wieder zu versuchen!

Eine alte Hindulegende

In einer alten Hindulegende wird berichtet, dass früher alle Menschen Götter waren. Die Menschen missbrauchten jedoch in einer furchtbaren Weise ihre Gottheit.

Brahma, der Gott über den Göttern, beschloss den Menschen die göttliche Macht fortzunehmen und an einem für sie unauffindbaren Platz zu verstecken. Das große Problem war, ein geheimes Versteck zu finden.

Als Brahma die Mitgötter zusammenrief, um dieses große Problem zu lösen, machten sie folgenden Vorschlag: „Lasst uns die Gottheit des Menschen in der Erde verbergen.“ Brahma antwortete: „Nein, dies genügt nicht! Der Mensch wird graben und die Gottheit wiederfinden.“

Da machten die Mitgötter einen anderen Vorschlag: „Dann lasst uns die Gottheit in der tiefsten Tiefe des Ozeans versenken.“ Brahma antwortete auf diesen Vorschlag: „Früher oder später wird der Mensch auch die Tiefen aller Ozeane entdecken, dann wird er seine Gottheit wiederfinden und an die Oberfläche holen. Auch dieses Versteck ist nicht sicher.“

Wieder überlegten die Mitgötter, wo denn die Gottheit des Menschen sicher verborgen werden könnte. Schließlich schlugen sie dem Brahma vor: „Lasst uns die Gottheit in die entferntesten Entfernungen des Universums verbannen, von dort kann sich der Mensch die Gottheit nicht zurückholen.“ Brahma hörte sich geduldig an, was seine Mitgötter ihm vortrugen. Dann antwortete er: „Der Tag wird kommen, an dem die Menschen das All erobern und die Gottheit wieder an sich nehmen. Auch das Universum ist als Versteck nicht geeignet.“

Da wussten die Mitgötter keinen Rat mehr: „Wo können wir die Gottheit verstecken? Es gibt weder auf der Erde, in den Meeren noch im ganzen Universum einen Platz, wo der Mensch sie nicht finden wird.“

Brahma in seiner unendlichen Weisheit sprach:

„Seht, was wir mit der Gottheit des Menschen machen! Wir verstecken sie im Tiefsten von ihm selbst, denn das ist der einzige Platz, an dem er nie danach suchen wird.“

Seit dieser Zeit – so schließt die Legende – hat der Mensch die Welt erobert, hat sich aufgemacht, das Universum zu entdecken, ist getaucht, geflogen und hat gegraben, um etwas zu suchen, das nur in ihm selbst zu finden ist.

Nach einem Text von Eric Butterworth

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