Traumatherapie

„Trauma ist keine Krankheit. Die körperliche und seelische Reaktion auf ein traumatisches Ereignis ist eine normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis.“

Einbeziehung des Wissens über Trauma & Traumatherapie – Wenn herkömmliche Therapien nicht ausreichend helfen

​“Entwicklungstrauma? Habe ich nicht!? Traumatisiert sind doch nur jene Menschen, welche Schreckliches erlebt haben, wie Gewalt, Missbrauch schwere Krankheiten oder schweren Verlust.“, denken viele von uns.

Das stimmt so aber nicht! Denn ein Entwicklungstrauma kann schon entstehen, wenn in unserer Kindheit aus der Sicht des Erwachsenen viele scheinbar unbedeutende Erlebnisse zusammen kommen. Für das Kind sind diese aber häufig nicht unbedeutend, sondern können aufgrund der Stärke und Häufigkeit ihres Auftretens ein Entwicklungstrauma bedingen (s. weiter unten). ​Unsere Kindheitserfahrungen prägen unser gesamtes Leben. Viele nicht verarbeitete Erfahrungen können zu einem langen Leidensweg führen.

Letztlich ist wohl jeder von uns ist auf die ein- oder andere Art traumatisiert. Erlebnisse, die uns psychisch überfordert haben, können uns sehr lange verfolgen. Wir leiden dann wiederkehrend oder sogar dauerhauft unter Ängsten und Anspannung oder empfinden das Zusammensein mit anderen Menschen als belastend. In Gruppen fühlen wir uns möglicherweise einsam und der Gruppe nicht wirklich zugehörig.

Nach neuesten Erkenntnissen aus der Traumaforschung werden schwierige  Erfahrungen, sowie frühe Verletzungen in der Kindheit, in unserem Organismus wie ein Trauma (=Wunde) abgespeichert. Ein schwieriges Geburtserlebnis, die Trennung von den Eltern nach der Geburt, oder ein unruhiges, überforderndes Umfeld können z.B. erste Wunden sein.

Warum sind wir in der Kindheit so leicht verwundbar?

Niemals wieder ist die menschliche Psyche so verwundbar wie in der ersten Lebensdekade, angefangen mit den Stunden während und unmittelbar nach der Geburt, gefolgt von den ersten Lebensjahren und der sich anschließenden Kindheit. Je jünger desto verwundbarer. Dies liegt daran, dass wir noch komplett von unseren Eltern abhängig sind. Ohne liebevolle Erwachsene, die unsere körperlichen und seelischen Bedürfnisse erfüllen, würden wir faktisch nicht überleben.

So stellen für ein Baby schon längere Zeiten des Alleinseins (Baby schreien lassen, Krankenhausaufenthalte, Kind im Laufstall für längere Zeit alleine lassen, etc.) potentiell traumatisierende Erfahrungen dar. Grund hierfür ist die innere subjektive Not des Säuglings / Kindes. Dieses kann noch nicht unterscheiden, ob der Elternteil lediglich im Nachbarraum ist oder es für immer alleine gelassen hat(!). Das kindliche unreife Nervensystem benötigt zwingend die Co-Regulation durch eine reife, liebevolle Bezugsperson. Unterbliebt diese, z. B. weil das Elternteil selbst traumatisiert oder überfordert ist und vielleicht an Depressionen, Ängsten oder ähnlichem leidet, empfindet das Kind die Trennung als akute Lebensgefahr(!) Wird hier nicht durch den reifen Erwachsenen liebevoll gegenreguliert, verbleiben tiefe Wunden (Entwicklungstraumen) in der Seele des Kindes, weil es die starken Gefühle (Lebensgefahr) nur durch eine innere Abkapselung von sich selbst beherrschen kann.

Wichtig: Schuldzuweisungen an die Eltern sind letztendlich nicht angebracht!

An dieser Stelle soll sehr deutlich gesagt werden, dass alle Eltern zu jedem Zeitpunkt ihr Bestes geben und haben. Leider sind diese oft ebenfalls traumatisiert und tragen viel Leid mit sich. So haben insbesondere die Generationen zuvor (Kriegsgenerationen) viel durchgemacht. Sie geben ihr Bestes, aber das ist manchmal eben nicht genug. Da die Eltern keine Schuld (Schuld im Sinne einer absichtlichen Handlung) trifft, sind  Schuldzuweisungen von Seiten der Kinder eher kontraproduktiv. Mit einer Traumatherapie kann oft dem gesamten Familiensystem (Kindern, Eltern, Geschwistern etc.) ein Stück weit geholfen werden.

Wenn die Bezugsperson also nicht regelmäßig in der Lage ist ihrem Kind Sicherheit zu vermitteln und es mit seiner Not alleine bleibt, kann dies zum Entwicklungstrauma führen. Das noch unreife vegetative Nervensystem kann überreizt sein und das führt zu ständiger Alarmbereitschaft. 

Ein Entwicklungs- oder Bindungstrauma kann also Ursache sein für z.B. Nervosität, Übererregung des Nervensystems, Angst, Panikattacken, Burnout und Depressionen bis ins Erwachsenenalter. Die Bindungsforschung hat nachgewiesen, wie verhängnisvoll ein Mangel an Zuwendung für unser ganzes Leben sein kann.  Solche Erfahrungen, so genannte Entwicklungs-Traumen, können unbehandelt lebenslang unsere Fähigkeit zu entspannen, unser Selbstwertgefühl, unsere Bindungs- und Kontaktfähigkeit und unsere Fähigkeit Krisen zu bewältigen beeinträchtigen.

Trauma zeigt sich auch im Körper

Aus Sicht der Traumatherapie gibt es kein reines psychologisches Trauma, denn der Körper ist immer auch an dem Geschehen beteiligt. Da emotionale und körperliche Prozesse aufs Engste verwoben sind, zeigen sich Traumafolgestörungen natürlich auch auf körperlicher Ebene. Wenn man in seinem Leben Traumatisierung erlebt hat, wirkt sich dies auf das autonome (= vegetative) Nervensystem aus. Dieses hat die Aufgabe, innerkörperliche Vorgänge automatisch, also autonom zu steuern.

Typische Traumafolgen sind z.B. eine dauerhaft erhöhte Grundanspannung im Körper (hoher Muskeltonus), innere Unruhe und Schwierigkeiten sich zu entspannen. Infolge von Entwicklungstraumen entstehen chronische muskuläre Spannungsmuster, die als Schutz einer Person gegen Angst und Schmerz zu verstehen sind. Folgen dieser Verspannungen können dann z.B.  chronische Kopf-, Bauch, Rücken- oder Knieschmerzen und andere unerklärliche Schmerzen sein. Auch häufig Angstzustände und Depressionen werden durch Hormone im Körper fühlbar.

Solche physischen und psychischen Belastungen entstehen vor allem durch im Körper blockierte Energie. Sie lassen sich daher auch nur unter Einbeziehung des Körpers heilen. Dies sind revolutionäre Erkenntnis bekannter Traumatherapeuten der letzten Jahre.

Traumafolgen

Übererregung / Burnout

Je traumatisierter ein System ist, desto öfter und rascher startet das autonome Nervensystem sein Überlebensprogramm, um uns auf Kampf und Flucht vorzubereiten. Eine Traumatisierung kann dazu führen, dass wir dauerhaft in der Übererregung (Hypervigilanz) hängen bleiben, was zu ständiger Anspannung, innerer Unruhe, Reizbarkeit aber Schreckhaftigkeit im Alltag führen kann.

Da das autonome Nervensystem dann nicht mehr von selbst zur Ruhe kommen kann, resultiert daraus häufig chronische Ruhelosigkeit und Schlaflosigkeit, Viele Menschen versuchen dieses Problem dann unbewusst dadurch zu lösen, dass sie – besonders abends – übermäßig viel Essen, Alkohol oder Zigaretten als Beruhigungsmittel nutzen.

Untererregung / Boreout

Da wir diesen übererregte Zustand auf Dauer jedoch nicht halten können, kippt, die bis dahin vorherrschende Übererregung, dann oft die Untererregung. Das Nervensystem wechselt nun in einen hypotonen, erschöpften Zustand. Kompletter Energiemangel, Kraft- und Lustlosigkeit, Antriebsschwächeund ein Gefühl der Einsamkeit und Sinnlosigkeit sind dann die Folge. Viele Depressionen sind in diesem Sinne Folgeerscheinungen von Kindheitstrauma.

Traumafolgesymptome

Häufige Hinweise auf Entwicklungstraumata können sein:

  • chronische Stresssymptomen wie Anspannung, innere Unruhe bis zu Schlafstörungen
  • Angst- und Panikattacken
  • Angst vor Nähe / Angst vor (tiefer) Bindung / übermäßige Verlustängste
  • Abgrenzungsproblem gegenüber anderen (sich nicht trauen „Nein“ zu sagen)
  • eigene Bedürfnisse nicht erkennen und kommunizieren können (übertriebene Anpassung)
  • Streben nach Perfektionismus in gewissen Lebensbereichen
  • Minderwertigkeitsgefühle und geringe Selbstwertgefühle
  • Überzeugung nicht richtig, nicht gut oder nicht erwünscht zu sein
  • Unsicherheit und das Gefühl, nicht dazuzugehören
  • tiefe Traurigkeit- und Einsamkeitsgefühle ohne aktuellen Anlass bis zur Depression
  • Phobien (Sozialphobie, Agoraphobie..)
  • fehlender Zugang zu Erinnerungen z.B. an die eigene Kindheit
  • Probleme, die eigenen Emotionen differenziert wahrzunehmen oder in Worte zu fassen
  • Emotionsüberflutung
  • sich abwesend oder zerstreut fühlen; wie im Nebel sein
  • extreme Wutausbrüche mit viel Schuld- und Schamgefühlen
  • das Gefühl, wie betäubt zu sein oder neben sich zu stehen
  • übermäßiges Essen, Alkohol und Zigaretten zur Kompensation
  • Dissotiation / Abspaltung  schmerzvoller Gefühle
  • psychosomatischen Problemen etc.

Frühere Traumata können auch durch die Corona Krise getriggert werden

In Zeiten der Corona-Pandemie sind die Menschen mit Eindrücken und Bildern konfrontiert, welche frühere belastende Erfahrungen reaktivieren können. Ständige Konfrontation mit Themen rund um Krankheit und Tod, massive Kontakteinschränkungen, Einsamkeit bis hin zur Isolation,  Einschränkungen der persönlichen Freiheit, finanzielle und berufliche Unsicherheiten uvm. können als Trigger wirken.

Das bedeutet, die momentanen Erfahrungen können ein plötzliches und intensives Widererleben vergangener, sehr belastender Ereignisse oder Gefühlszustände reaktivieren. Sind die traumatischen Zustände so stark, dass sie allein nicht bewältigt werden können, sollten Betroffene unbedingt Hilfe suchen.

Fazit

Gefühle der Unsicherheit, Angst, Panik und Verzweiflung entstehen nicht auf der Ebene des Bewusstseins. Sie sind Reaktionen unseres autonomen Nervensystems, auf das, was es wahrnimmt. Bei einem Entwicklungstrauma steht unser Nervensystem unter ständiger Anspannung und läuft auf Hochtouren. Das Gehirn und das Nervensystem sind die ganze Zeit damit beschäftigt, sich zu regulieren und Auswege und Sicherheit zu suchen.

Noch eine Stufe weiter befinden wir uns in der Starre – im Shut down. Hier ist unsere Lebensenergie wie eingefroren. Die Atmung wird flach, Emotionen sind kaum noch fühlbar, der Körper ist wie erstarrt. Dies fühlt sich oft an wie Depression.

Einbeziehung von Wissen über Entwicklungstrauma und Bindungstrauma in meinen ganzheitlichen Therapieansatz

Ich biete in meiner Praxis keine isolierte Traumatherapie an, sondern arbeite ganzheitlich und dennoch traumasensibel!

Stephen Porges beschreibt in seiner Polyvagal-Theorie eindrucksvoll, wie wichtig es für unsere psychische Gesundheit ist, dass wir uns sicher fühlen. Er erklärt zudem, wie das Gefühl, gesehen und verstanden zu werden, zur Befreiung der Menschen aus Übererregung und Erstarrung führen kann. In meiner Arbeit und in der Traumatherapie beziehe ich die Erkenntnissen der Polyvagaltheorie von Stephen Porges und  weiterführende Arbeiten mit ein.

Nur in einer sicheren und geborgenen Umgebung, kann Vertauen und Nähe erst wieder möglich werden und sich somit alte Muster langsam verändern. Als Therapeutin sehe ich es als meine Aufgabe, diesen sicheren Raum zu bieten, indem wir uns von Mensch zu Mensch urteilsfrei begegnen können.

Das Ziel in der Therapie ist auf körperlicher Ebene die Entspannung des Nervensystems durch gezielte Körperarbeit. Auf geistig-emotionaler Ebene geht es um die Nachreifung und Integration der verletzten, inneren Kind-Anteile, sowie um das Erleben von Achtsamkeit und Verbundenheit mit anderen Menschen.

 

Weiterführende Literatur zur Traumatherapie, Entwicklungstrauma und Bindungstrauma:

Polyvagal-Theorie und Traumatherapie

Die Polyvagal-Theorie von Dr. Stephen Porges (Porges, 2011) erklärt, wie es zu den drei grundlegenden Verhaltensweise des Menschen kommt: soziale Interaktion, Kampf und Flucht sowie Verhaltensstarre und Shutdown…

Dami Charf und Traumatherapie

Website von Darmi Charf, Spezialistin rund um Entwicklungstrauma und Traumatherapie: https://traumaheilung.de/start/

Siehe auch…. Dami Charf – Warum viele Therapien bei Trauma nicht wirken!

Siehe auch…Still face Experiment

Siehe auch …Stress- und Traumatherapie TRE

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